Episode 6 – Auf das, was da noch kommt! Ein Blick auf aktuelle und künftige Möglichkeiten und Besonderheiten des StaRUG

Seit dem 1. Januar 2021 können mit dem StaRUG Restrukturierungen schneller und gezielter umgesetzt werden – mit großen Gestaltungs- und Eingriffsmöglichkeiten und ohne Insolvenzverfahren. Die Unternehmen bestimmen selbst, mit welchen ihrer Gläubiger sie sich restrukturieren möchten. Sein volles Potential hat das StaRUG damit aber noch nicht ausgespielt. Aller Voraussicht nach ab dem Sommer des kommenden Jahres können StaRUG-Restrukturierungen unter dem Dach der Europäischen Insolvenzverordnung auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten durchgesetzt werden. In dieser Episode geht es darum, was dabei zu beachten ist, welche wichtige Rolle die Veröffentlichung einer StaRUG-Restrukturierung spielt und welche strategischen Fragen sich Unternehmen in diesem Zusammenhang stellen sollten. Zudem schauen wir auf die Besonderheiten der präventiven Restrukturierungsverfahren in Frankreich und den Niederlanden.

Matthias Braun: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Listen. Restructure. Restructum. Ich freue mich, dass ich heute Dr. Annerose Tashiro bei mir habe. Sie ist eine Sanierungsexpertin mit langjähriger Expertise in vielen unterschiedlichen Ländern. Sie hat in Japan studiert, dort auch ihre Promotionen mit absolviert und ist Leiterin der internationalen Abteilung bei Schultze & Braun. Hallo Frau Tashiro.

Dr. Annerose Tashiro: Guten Morgen.

Braun: Wir möchten heute über Veröffentlichungspflichten bzw. die Internationalität des StaRUG sprechen, Frau Tashiro. Vielleicht starten wir mal mit der Internationalität.  Es ist ja so, dass das StaRUG jetzt seit bald einem Jahr in Kraft ist bzw. auch genutzt werden kann und es gibt vergleichsweise wenig Fälle in denen das auch bisher öffentlich wurde bzw. in denen man es mitbekommen hat. Es gibt ja auch noch eine gewisse Rechtsunsicherheit was die Internationalität angeht. Was hat das damit auf sich?

Dr. Tashiro: Genau, also das StaRUG ist eigentlich noch gar nicht international. Wenn man das so auf einen Punkt bringen kann. Einerseits hat das StaRUG, obwohl es eigentlich aus der EU kommt und auf einem Vorschlag der EU-Kommission und einer EU-Richtlinie basiert, noch keine Anknüpfung an das europäische Recht.

Und wie das am Ende funktionieren soll, also wie das öffentlich bekannt gemachte StaRUG-Verfahren als Insolvenzverfahren im Sinne der Europäischen Insolvenzverordnung gelten sollen, dazu sind aber ein paar Voraussetzungen notwendig. Und das Erste ist, dass diese StaRUG-Verfahren überhaupt öffentlich bekannt gemacht werden. Das Zweite ist, dass Deutschland sich darum bemühen muss, dass die StaRUG-Verfahren in den Anhang A der Europäischen Insolvenzverordnung als anerkennungsfähige Verfahren aufgenommen werden. Das sind die zwei Schritte die noch notwendig sind.

Wenn das dann irgendwann passiert sein wird – das ist tatsächlich noch Zukunftsmusik – würde es bedeuten, dass das StaRUG-Verfahren in ganz Europa oder in EU-Land sage ich mal europäisch anerkannt ist und dann auch die Regelungen des StaRUG europaweit Anwendung finden. Das hat diverse Vorteile, auf die kann man dann noch im Detail eingehen, aber der erste Schritt, dass das StaRUG-Verfahren öffentlich bekannt gemacht wird ist etwas was Deutschland erstmal umsetzen muss. Und dazu ist es erforderlich, dass ein Register geschaffen wird, relativ ähnlich zu dem was wir jetzt unter www.insolvenzbekanntmachungen.de haben für solche StaRUG-Verfahren.

Und erst dann, wenn diese Verfahren öffentlich sind, sind sie auch EuInsVO fähig. Deutschland hat damals bei der Einführung des StaRUG noch nicht sofort die öffentliche Bekanntmachung vorgesehen, sondern sich im Prinzip ein-einhalb Jahre Zeit gegeben, um überhaupt diese Strukturen zu schaffen. Damit man das überhaupt erstmal bekannt machen kann, nämlich bis Juli nächsten Jahres, also bis Juli 2022, in denen diese Voraussetzungen geschaffen werden sollen, also die Internetstruktur dazu. Was man vielleicht auch noch dazu wissen muss, ist: Anders als ein Insolvenzverfahren ist ein StaRUG-Verfahren nicht per se öffentlich, sondern die schuldnerischen Unternehmen müssen sich ganz explizit darum bemühen und den Antrag an das Gericht ganz am Anfang stellen, das Verfahren öffentlich bekannt zu machen, weil das von Gesetzeswegen oder von Amtswegen nicht passiert.

Braun: Dann, wenn wir in die Zukunft schauen, Frau Tashiro, Sie hatten ja den Sommer nächsten Jahres schon angedeutet und dann die Internationalität, auf die wir gerne gleich noch etwas detaillierter eingehen, dann ist aber wenn ich das richtig verstanden habe, die Veröffentlichung eines StaRUG-Verfahrens zwingend notwendig, um dann eben international, also sagen wir mal Kapitalgeber aus EU-Mitgliedsstaaten dann eben in solch eine StaRUG-Restrukturierung einzubinden notwendig?

Dr. Tashiro: Genau, absolut. Also das ist für die EuInsVO ganz zwingend notwendig: Europaweit automatisch anerkannte Verfahren müssen immer öffentlich bekannt gemachte Verfahren sein. Damit ist das dann auch die zwingende Voraussetzung für das StaRUG-Verfahren.

Braun: Wie sehen Sie es denn jetzt, dass die Nichtöffentlichkeit ja eigentlich eines der Argumente pro StaRUG ist, also dass man da auch so ein bisschen unter dem Radar vielleicht fliegen kann. Wie ist denn da so dieser Wechsel, ich muss öffentlich sein, um international was machen zu können. Wie schätzen Sie das ein? Wird das irgendwie zu einem Showstopper werden im Zusammenhang mit dem StaRUG?

Dr. Tashiro: Ich glaube nicht, dass man da so eine generelle Aussage treffen kann, sondern am Ende muss sich jedes Unternehmen selber überlegen und die Strategie letztendlich von Anfang an festlegen, was sie denn wollen. Es wird sicherlich für viele Unternehmen Sinn machen, wirklich unter dem Radar zu fliegen und nicht öffentlich zu bleiben und dort zu versuchen so ein bisschen hinter verschlossener Tür das Restrukturierungsverfahren umzusetzen.

Ich meine, es gibt viele Unternehmen, insbesondere, wenn die sich darauf beschränken, nur mit einer bestimmten Gruppe von Gläubigern das Verfahren durchzuführen und die anderen soweit es geht unbeteiligt zu lassen, um das auch wirklich nicht zu veröffentlichen, weil gerade in Handelsunternehmen wenn man dort eine ganze Palette von Lieferanten und Kunden hat, die möchte man möglicherweise nicht verunsichern. Man hat jetzt vielleicht auch keine Lust dort mit allen neu in Verhandlungen zu treten wie die Zahlungsbedingungen aussehen sollen.

Wenn man das raushalten kann, macht das für viele Unternehmen total Sinn. Wenn ich aber – wie Sie es angesprochen haben – Kapitalgeber aus dem Ausland haben oder Drittsicherheiten im Ausland habe, die ich dort einbinden will oder eine ganze Menge an Gläubiger im Ausland habe, gegen die ich möglicherweise den Restrukturierungsplan mit seinen Wirkungen auch durchsetzen können will, dann werde ich auf jeden Fall um die Anerkennung und Anwendung über den Weg der EuInsVO nicht herum kommen und dazu brauche ich die Veröffentlichung. Das bisschen „perfide“ an der Geschichte ist, dass das StaRUG vorsieht, den Antrag der Veröffentlichung ganz am Anfang stellen muss. Das heißt, bevor das Gericht seine allererste Entscheidung trifft, muss dieser Antrag bei Gericht sein, damit das Gericht eben auch die Zuständigkeit im Sinne der EuInsVO feststellen kann.

Deswegen muss ich mir dann als Gläubiger oder auch als Schuldnerberater ganz am Anfang überlegen, wo ich hinwill und welche Gläubigerrechte man beschneiden will, gegen welche Gläubiger man potentiell den Plan auch durchsetzen können muss. Und, ob ich die Instrumente der EuInsVO nutzen können muss, oder ob ich es eben auf einer rein konsensualen Geschichte hinkriegen will.

Braun: Das ist interessant. Also das heißt, ich muss mir im Vorfeld die Gedanken machen um dann zu wissen „Okay welchen Weg möchte ich denn gehen“ und da ist es natürlich am sinnvollsten, sich da im Vorfeld natürlich entsprechende Expertise ins Haus zu holen, um zu sehen, was eben notwendig ist. Wenn ich jetzt sage: „Okay ich möchte es öffentlich machen dieses Verfahren, weil ich eben Gläubiger im Ausland habe und einbinden will“. Wie gehe ich denn da vor? Sie hatten vorhin auch das Register angesprochen, das noch initiiert werden soll. Wie würde das dann ablaufen?

Dr. Tashiro: So ganz klar ist das ehrlicherweise noch nicht, weil die Verordnung noch gestrickt werden muss. Also da gibt es eine Ermächtigung an das Bundesjustizministerium, diese Verordnung noch zu erstellen. Am Ende gehe ich davon aus, dass wird ein simpler Antrag ans Gericht sein, in dem drinsteht „Liebes Gericht, wir haben ausländische Gläubiger oder vielleicht auch völlig ohne Begründung und wir brauchen die öffentliche Bekanntmachung für die Umsetzung des StaRUG-Verfahrens. Bitte mach eine öffentliche Bekanntmachung“ und dann wird das Gericht diese Bekanntmachung in das StaRUG-Register verfügen und dann ist es drin. Aber diese Strukturen muss jetzt letztendlich das Bundesjustizministerium erst noch schaffen, damit es dann auch europaweit sinnvollerweise einsehbar ist.

Braun: Da zeigt sich jetzt auch so ein bisschen so eine Art unterschiedliches Vorgehen in der Geschwindigkeit, würde ich jetzt sagen. Wir haben ja jetzt in Frankreich als Beispiel seit dem 1. Oktober das neue präventive Restrukturierungsverfahren. Das ist ja jetzt zum Beispiel schon international anwendbar. Französische Unternehmen könnten deutsche Kapitalgeber zum Beispiel in eine vorinsolvenzliche oder präventive Restrukturierung schon einbinden. Woher kommt das denn?

Dr. Tashiro: Na gut, die Franzosen hatten vorher einfach schon vorinsolvenzliche Restrukturierungsverfahren auf denen die aufsetzen konnten. Also die haben dort jetzt neu umsortiert in ihren Verfahren. Die hatten das sauvegarde accélérée und das sauvegarde financière accélérée, zwei Verfahren, die sie jetzt mehr oder weniger fusioniert haben in ein neues Restrukturierungsverfahren, das dann eben aufgrund der vorherigen Struktur schon in das EuInsVO-Konstrukt eingebunden war. Insofern haben sie es dort einfacher und müssen jetzt vor allem auch den Antrag nicht mehr stellen an die Kommission, um das dort aufzunehmen.

Auf der anderen Seite haben die Franzosen auch die Conciliation. Das ist ein rein vertrauliches Verfahren, mit dem man erstmal versuchen kann, mit den Gläubigern auf ein gemeinsamen konsensualen grünen Zweig zu kommen und wenn das nicht funktioniert, könnte man dann eben in dieses sauvegarde Verfahren relativ einfach umswitchen. Die Deutschen haben sich ja an dieser Conciliation so ein bisschen orientiert und die Sanierungsmoderation daran angelehnt. Insofern ist es nicht das gleiche. Man kann es nicht zu wirklich 1 zu 1 übernehmen, aber es ist so ein bisschen ähnlich, wenn man sich vorstellt, dass die Sanierungsmoderation im Prinzip der vertrauliche Teil vorneweg sein kann, in bestimmten Fällen. Der auch nicht öffentlich bekannt gemacht wird und wenn die Sanierungsmoderation scheitert beziehungsweise man feststellt, dass man nicht auf 100 Prozent der Gläubiger kommt, dann kann man eben in das öffentliche StaRUG-Verfahren umswitchen und dann da weitermachen.

Braun: Spannend zu sehen, dass es da so unterschiedliche Geschwindigkeiten gibt, was die internationale Anerkennung umfasst und dann auch unterschiedliche Möglichkeiten der Restrukturierung. Also wenn wir jetzt auch wieder zu den westlichen Nachbarn gucken, in die Niederlande, da gibt es ja auch seit dem 1. Januar das WOAH-Verfahren, was ja eine Abkürzung ist – mein Niederländisch ist nicht so gut, dass ich das jetzt wiedergeben könnte was da dahintersteckt. Aber da ist ja jetzt ein großer Unterschied die Kündigungsmöglichkeit von Verträgen, die es ja im deutschen StaRUG ja auch nicht gibt.

Dr. Tashiro: Genau das ist ein bisschen schade, das gab es ja noch am Anfang im Regierungsentwurf, aber wurde dann durch den Rechtsausschuss wieder ins Nirvana befördert. Ich glaube, die Restrukturierungsbranche war da so ein bisschen traurig, was ich so gehört habe aus der Community.

Aber das ist richtig, also die Möglichkeit dort tatsächlich Verträge kündigen zu können, oder sich zumindest mit der gerichtlichen Genehmigung sich dort von Verträgen entledigen zu können, die hat oftmals viele Vorteile. Gerade, wenn man operativ eine Gesellschaft sanieren will, braucht man das manchmal, keine Frage. Ich meine, die Niederländer haben relativ lange an ihrem WOAH gestrickt. Das ist jetzt nicht zwingend auf der Restrukturierungsrichtlinie entstanden, sondern die haben da vorher schon angefangen, sich darüber Gedanken zu machen wie das aussehen soll und haben jetzt, glaube ich, den Schwung da nochmal mitgenommen, um das endlich durch die Tür zu kriegen. Aber in der Tat, die sind da ein bisschen progressiver und aggressiver unterwegs.

Und wenn man sich vielleicht so ein bisschen sich überlegt wie damals das Forum Shopping unter der Ägide der EUInsVO funktioniert, dass man sich überlegt hat, wo kann man in anderen Ländern andere Instrumente nutzen, um vielleicht zu einer effektiveren Sanierung zu kommen, wird man sich, glaube ich, auch in Zukunft die Frage stellen, ob man irgendwie es schaffen kann, seinen center of main interest in die Niederlande zu legen, um dann eben nach niederländischen Recht die Kündigung von Verträgen zu ermöglichen. Weil ich dann ja über die öffentliche Bekanntmachung und die Einbindung in die EuInsVO auch die automatische Anerkennung in ganz Europa habe.

Braun: Klingt spannend. Wenn ich früher nach London gegangen bin, gehe ich jetzt nach den Haag oder Amsterdam.

Dr. Tashiro: So ist das. Also es sind im Moment sicherlich theoretische Überlegungen von uns Sanierungspraktikern, aber das wird nicht oft der Fall sein. Das wird kein Massentourismus werden, aber es wird sicherlich Konstellationen geben, bei denen sich das anbietet und dann werden sich auch die Berater Gedanken machen wie man das hinkriegt.

Braun: Das ist spannend. Wir haben jetzt schon verschiedene Punkte besprochen, bei denen sich noch viel tun wird und bei denen es auch interessant sein wird, das auch im Blick zu behalten. Also die EuInsVO-weite Anerkennung des StaRUG, jetzt die Möglichkeiten des WOAH oder auch des präventiven Restrukturierungsrahmen in Frankreich. Wenn wir jetzt nochmal zurück gehen nach Deutschland. Da gibt es ja das StaRUG-Verfahren von Eterna, dem Hemdenhersteller, dass ja öffentlich abgelaufen ist und auch für große Aufmerksamkeit gesorgt hat. Woher kam das denn, dass Eterna aus welchen Gründen gesagt hat „Ja wir machen das Verfahren öffentlich“ oder war das vielleicht sogar ein Muss?

Dr. Tashiro: Das war ein Muss. Also ich hatte am Anfang ja gesagt, dass es im Moment noch gar nicht möglich ist ein StaRUG-Verfahren öffentlich bekannt zu machen, weil die Strukturen noch gar nicht da sind. Also diese Strukturen die dem Schuldner erlauben einen Antrag zu stellen, die sind noch gar nicht in Kraft. Das funktioniert noch gar nicht. Sondern Eterna musste im Prinzip an die Öffentlichkeit, weil sie börsennotiert sind und das letztlich über die Ad-hoc Mitteilungen öffentlich bekannt gemacht wurde, ansonsten hätten die das, glaube ich, auch durchaus gerne vertraulich behandelt, weil sie sich ja auch dort hauptsächlich mit ihren Schuldverschreibungsgläubigern auseinandergesetzt haben und dort weniger die komplette Riege der Gläubiger angesprochen haben.

Braun: Also das wäre jetzt kein Unterschied zum klassischen Insolvenzverfahren gewesen, da hätte die Ad-hoc-Pflicht ja auch gegriffen. Von daher auch wieder ein interessanter Aspekt. Zeigt ja auch einmal mehr, dass man sich als Unternehmen ja genau überlegen sollte, welche Strategie möchte ich denn fahren beziehungsweise was brauche ich dann bei meiner Restrukturierung, welche Faktoren spielen da eine Rolle.

Dr. Tashiro: Vielleicht noch ein Punkt an der Stelle: Was ja auch zum französischem Recht ganz interessant ist. Dort habe ich ja tatsächlich die Möglichkeit, das wirklich vertraulich zu machen, auch den Gläubigern an die Vertraulichkeit zu binden. Das wird so in Deutschland nicht zwingend funktionieren oder nicht so ohne weiteres funktionieren, denn nur weil das Verfahren nicht öffentlich bekannt gemacht ist, heißt das ja nicht, dass es wirklich geheim ist. Und ich glaube da müssen sich die Unternehmen auch immer genau überlegen. Wenn ich ganz viele Gläubiger habe, irgendeiner kriegt es mit, wenn ich viele Vermieter habe und versuche dort die Hälfte meiner Geschäfte zu kündigen, das kriegen die natürlich mit. Ich muss denen ja eine Begründung liefern. Das spricht sich dann auch gerne mal rum. Wenn ich viele Arbeitnehmer habe, die dann anfangen zu quatschen, sage ich mal, dann spricht sich das rum. Das kann man nur bedingt wirklich geheim halten, das ist relativ schwierig. Das muss man sicherlich einkalkulieren und wenn ich dann sage „Es kommt eh raus“, dann ist es vielleicht auch aus der kommunikativen Sicht die Flucht nach vorne vielleicht die clevere.

Braun: Ja, man hat dann natürlich eher die Deutungshoheit über das ganze Thema, als wenn man irgendwie so rumwabert. Finde ich einen sehr interessanten Aspekt, weil gerade dieser vermeintliche Vorteil dieser Nichtöffentlichkeit vielleicht doch keiner ist, wie Sie gerade richtig gesagt haben. Es ist ja kein Zwang oder keine Verpflichtung zur Vertraulichkeit, sondern es wird ja nur schlichtweg nicht veröffentlicht. Also da ist dann der Vorteil bei den Franzosen, die diese Vertraulichkeit zwingend vereinbart haben. Wann sollte man denn Ihrer Ansicht nach mit einer solchen Vorbereitung starten? Also wieviel Vorlauf würden Sie denn bei sowas einplanen, wenn ich jetzt über so eine Restrukturierung nachdenke? Ist natürlich wahrscheinlich unterschiedlich von Unternehmen zu Unternehmen, schwer zu sagen das pauschal, aber gibt es da was?

Dr. Tashiro: Also, wenn man sich überlegt wie das StaRUG funktioniert, dass ich ja insbesondere, wenn ich eine neue Finanzierung brauche und die neue Finanzierung in den Plan eingearbeitet sein muss. Muss ich für diese neue Finanzierung die finanzielle Planung vorlegen und darstellen, dass das plausibel ist und auch hinterher alles zurückgezahlt werden kann, dass ich ein stabiles Finanzmodell habe, dass es durchfinanziert ist. Muss ich eigentlich das Ergebnis des StaRUG Verfahrens kennen, durchgeplant und durchgerechnet haben, bevor ich den Antrag stelle oder bevor ich die Anzeige mache. Das heißt ich muss eigentlich das Verfahren bis zum Ende mal im Kopf und auf dem Papier und dem Computer durchgemacht haben.

Ich muss wissen, mit welchen Gläubigern man wie umgehen will, welche Gläubiger man einbezieht, welche Gläubigerrechte man angreifen will, gegen welche Gläubiger man potentiellerweise das Verfahren auch mehr oder weniger zwangshalber durchsetzen muss. Ich muss wissen, wer am Ende das Geld gibt, oder in irgendeiner Form ein Beitrag leistet, damit die Sanierung klappt. Und all das muss in den Plan eingewogen werden und ich muss ja letztendlich ganz am Anfang mit der Anzeige zu Gericht schon ein Entwurf ans Gericht schicken. Wenn ich mir all das zusammen überlege und dann auch natürlich die strategischen Fragen am Anfang beantworten muss „will ich es bekannt machen oder nicht?“. Also ein Monat mindestens würde ich schon damit rechnen in dem man wirklich intensive Vorbereitung braucht, gern auch sechs Wochen ja.

Braun: Das zeigt sich wiedermal, je früher desto besser. Das gilt im Sanierungsfall genauso wie beim StaRUG. Ich fand das ein sehr spannendes Gespräch, Frau Tashiro, und man sieht, dass es viele interessante Punkte gibt. Gerade jetzt auch mit Blick auf Veröffentlichung, auf Internationales beim StaRUG. Ich denke, dass wir dazu mit Sicherheit nochmal sprechen werden. Spätestens im nächsten Sommer, wenn das StaRUG in der EuInsVO angelegt ist. Und ich freue mich darauf, den Dialog mit Ihnen fortzusetzen, das machen wir dann bei nächster Gelegenheit sehr gerne.

Dr. Annerose Tashiro: Wunderbar, bis dann.


Listen Restructure Restructum

In diesem Podcast beschäftigen wir uns mit Change Management und dem neuen Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz StaRUG. Es geht um die Anwendung, Erfahrungen und Lehren, die man daraus ziehen kann, und um Führung in der Krise. Denn in jeder Krise liegt auch eine große Chance, mit neuem Schwung in die Zukunft zu starten.