Episode 3 – Management und Führung in der Krise | Generation Restructum

Detlef Specovius von Restructum und Dr. Jürgen Erbe von Schultze & Braun können auf eine Vielzahl an Restrukturierungen und Sanierungen zurückblicken. Mit den beiden Experten sprechen wir über die Besonderheiten von Management und Führung in StaRUG-Restrukturierungen und darüber, welche wichtige Rolle Vertrauen und Kommunikation spielen. Zudem beleuchten wir die Anforderungen, die an die handelnden Personen gestellt werden – von Gläubiger-, aber gerade auch von Mitarbeiterseite und gehen auf die Erfolgsfaktoren Nahbarkeit, Offenheit und Authentizität ein. Zu guter Letzt werfen wir einen Blick in die Zukunft und sprechen darüber, wie sich Restrukturierungen und Sanierungen verändern werden.

Matthias Braun: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Restructum Podcasts. Mein Name ist Matthias Braun und ich begleite Sie als Gastgeber durch diese Podcast Reihe. Heute haben wir Herrn Detlef Specovius von Restructum bei uns und Herrn Dr. Jürgen Erbe von Schultze und Braun. Es freut mich, dass Sie beide hier sind.

Matthias Braun: Wir wollen heute über das Thema „Krisenmanagement“ sprechen und es ist so, dass Sie beide schon lange Jahre als Restrukturierungs-Fachleute/ Experten tätig sind. Sie Herr Specovius seit jetzt inzwischen mehr als nahezu 30 Jahren. Sie Herr Dr. Erbe seit 10 Jahren circa. Das heißt man könnte sogar sagen, dass zwischen Ihnen eine Generation liegt und die Frage, die uns heute auch noch mit interessiert ist, inwieweit es ja sozusagen mit der Entwicklung, mit den Generationen auch Unterschiede im Krisenmanagement gibt, ob es die überhaupt gibt und wie grundsätzlich gutes Krisenmanagement aussieht. Herr Dr. Erbe vielleicht kurz zu Beginn. Wie kann man denn diese Generationen, die es in der Literatur gibt, grundsätzlich einteilen?

Jürgen Erbe: Ja, es gibt wenn man es so will fünf verschiedene Generationen. Da sind einmal die Generation X, Y, Z und dann die Babyboomers, die den wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland miterlebt haben. Und wenn man noch weiter zurückgeht die Veteranen, die jetzt mittlerweile aus dem Berufsleben vermutlich schon am ausscheiden sind oder bereits ausgeschieden sind. Da kann man die Unterschiede feststellen was die Loyalität zum Arbeitgeber angeht, was die flexible Arbeitszeitgestaltung angeht, aber auch was den Anspruch an den Arbeitgeber angeht. Gewisse Erwartungshaltungen, wie plane ich flexibles Arbeiten, wird mir eingeräumt zu Hause zu arbeiten. Das sind alles Themen, die die jüngeren Generationen eher nach vorne bringen, fordern und damit einhergehend auch die Loyalität zum Arbeitgeber. Die jungen Generationen wechseln häufiger den Arbeitgeber, wobei es bei den Babyboomer Generationen eher so war, dass man ja bei einem Arbeitgeber angefangen hat und bei diesem auch in Rente gegangen ist.

Detlef Specovius: Also ich denke, dass es für die Unternehmen in der Tat durchaus Differenzen gibt, dass die Generationen unterschiedlich sind, dass sie unterschiedliche Einstellungen haben. Für den Bereich in dem wir tätig sind spielt das meiner Meinung nach keine große Rolle. Warum? Natürlich lebt ein junger Mensch ganz anders als ein älterer, hat andere Vorstellungen. Aber sobald er auf der Intensivstation liegt, spielt es keine Rolle mehr, ob sie 18 oder 88 Jahre sind. Da geht es darum lebenserhaltende Maßnahmen zu treffen, zu prüfen wo und wie muss operiert werden, um den überhaupt wieder zurück ins Leben zu holen, oder aber gibt es keine Chance? Das ist eigentlich Altersunabhängig. Und deshalb glaube ich auch, dass Führung in der Krise unabhängig davon ist, welche Generationen an Führungspersönlichkeiten in den Unternehmen waren oder bisher waren.

Braun: Sie haben jetzt gerade von der Intensivstation gesprochen. Das heißt also, eine Krise ist ja in der Tat wirklich existenziell für die Unternehmen. Das heißt aber dann, dass ja da alle gleich sind. Gleichwohl gibt es ja auch Führungskräfte, die in einer Krise mal besser führen können oder die dann eben auch vielleicht mal den Kopf in den Sand stecken. Wie ist das, wenn Sie in ein Unternehmen kommen? Wie gehen Sie davor?

Specovius: Diese unterschiedlichen Führungskräfte gibt es natürlich nicht nur in der Krise. Die gibt es auch in lebenden Unternehmen. Da haben Sie sehr gute Manager, die Ihr Unternehmen gut durch alle Phasen des Unternehmens bringen und Sie haben eher mittelgute und schlechte, die auch letztlich dafür verantwortlich sind, dass wir dann im Unternehmen mit auftreten dürfen. Und natürlich, wenn Sie zu Beginn eines Verfahrens oder eines Projekts oder wie man es nennen will, in das Unternehmen kommen, müssen Sie versuchen sehr schnell festzustellen, mit was für Leuten haben Sie es denn zu tun. Können Sie auf die bauen? Können Sie auf die setzen, oder ist es besser nach kurzer Zeit zu entscheiden in der einen oder anderen Stelle muss nachjustiert werden? Wechsel der Person.

Braun: Wie gehen Sie da konkret vor? Also gibt es da Anhaltspunkte, irgendwie Kriterien, nach denen Sie da vorgehen? Weil das natürlich eine wichtige Frage ist. Also mit wem kann ich durch eine Krise gehen und mit wem eher nicht?

Specovius: Also auf der einen Seite braucht man Erfahrung um das fest zu stellen, dann aber auch sehr viel besprechen und offene und ehrliche Gespräche mit den Führungsebenen unterhalb der ersten oder zweiten Ebene, weil das Personal in der Regel sehr gut schnell weiß und kennt diesen Job und arbeitet mit denen viel länger zusammen und wissen, wer eine Pflaume ist und wer nicht. Wobei man dann auch immer aufpassen muss, ob da nicht auch kleine Ränkespielchen ausgekostet werden. Aber in der Regel sagen Mitarbeiter nach einiger Zeit, wenn man deren Vertrauen hat schon, also der kann es oder da haben wir unsere Bedenken. Sie merken es ja auch sich selbst, nach einiger Zeit stellen Sie fest ist das jemand, der wirklich das was er tut auch umsetzt, und dass es Sinn und Zweck hat oder ist das ein Dampfplauderer.

Braun: Jetzt haben Sie gesagt, dass die Mitarbeiter relativ schnell verstehen mit wem kann man, mit wem kann man nicht? Wie ist denn so die Reaktion, wenn Sie in ein Unternehmen kommen?

Erbe: Ja häufig zunächst zurückhaltend, kommt immer ein bisschen darauf an in welcher Phase man in so ein Unternehmen kommt. Und vor allem auch, wenn man von einem Eigenverwaltungsverfahren ausgeht, welche Vorräte und welche Ansprache der Geschäftsführer an seine Mannschaft bereits getätigt hat, bevor wir dort aufschlagen. Meistens ist es aber so, dass eine gewisse Erleichterung herrscht, weil wir den Leuten ab dem ersten Tag wo wir an Board sind ja eine gewisse Guideline geben, dass sie jetzt wissen was passiert. Entweder kurz vor der Antragsstellung oder nach der bereits erfolgten Insolvenzantragsstellung in einem Eigenverwaltungsverfahren zum Beispiel, da ändern sich ja die Parameter und der Geschäftsführer eines Mittelständlers mag sein Geschäft noch so gut verstehen. Im Insolvenzverfahren oder in einem Restrukturierungsverfahren betreten diese Leute alle Neuland. Das bringt etwas Unsicherheit mit sich.

Erbe: Und diese Unsicherheit die versuchen wir dann zu nehmen, weil es für uns das tägliche Business ist, quasi in der Krise tätig zu sein, sodass sich dann die Leitungspositionen in diesem Unternehmen wieder auf das Tagesgeschäft fokussieren können und nicht wie gelähmt von Unsicherheit und Haftungsrisiken quasi nicht mal ihre eigenen täglichen Arbeit nachgehen können. Deshalb versuchen wir, die Themen so aufzuteilen, dass wir alles was mit Restrukturierungsverfahren zu tun hat bei uns platzieren und mit Rat und Tat zur Seite stehen und das tägliche Geschäft, was ja aber weiterlaufen muss, wo Lieferantengespräche geführt werden müssen, wo eine Produktion geplant werden muss. Dass die bei den Köpfen bleibt, die natürlich auch das entsprechende Know how schon die ganze Zeit hatten und sich darauf jetzt auch wieder fokussieren können.

Specovius: Also ergänzend zu dem, was Sie bisher aufgeführt hatten. Sie kommen auch in einer Phase in einem Unternehmen, in dem in der Regel sehr große Verunsicherung herrscht, Verunsicherung und Angst. Verunsicherung A: „Wie geht’s weiter? Angst? Was passiert mit mir? Was passiert mit dem Unternehmen? Denn es hängt ja immer der eigene Arbeitsplatz, die eigenen monatlichen Verpflichtungen die man hat daran. Und es ist ja in der Regel auch so, dass dieses Unternehmen nicht von heute auf morgen in diese Lage gekommen ist. Ganz im Gegenteil. Das ist ja meistens ein schleichender Prozess, der sich über Wochen oder Monate hinzieht. Und die Mitarbeiter sind ja nicht dumm. Die merken das ja auch, gerade auch in der Buchhaltung.

Specovius: Die merkt, dass da Zahlungen zögerlicher ausgeübt werden, dass die selber angehalten werden. Kunden die auf Zahlungen drängen zu vertrösten, irgendwelche Argumente zu bringen warum der Check jetzt doch nicht rausgegangen ist, obwohl er doch unterschrieben worden ist. Und das führt auch dazu, dass in dem Augenblick wenn es dann zur Gewissheit kommt, der Antrag wird gestellt auch wie schon angesprochen es zu einer Erleichterung kommt. Jetzt kommt endlich einer, der kann uns sagen wie es geht. Und jetzt haben wir möglicherweise auch wieder eine Perspektive. Angst, Zukunftssorgen, aber auch die Hoffnung, dass es besser wird. Die gehen da eigentlich Hand in Hand. Und es muss Ihnen als Externer, der dort reinkommt, dem Sie vollkommen neu und dementsprechend auch unbelastet sind. Ihnen muss es gelingen, innerhalb kurzer Zeit die Mitarbeiter so zu motivieren, das Vertrauen zu geben, der da vorne weiß was er sagt, der kann das was er machen muss und dem können wir vertrauen, hinter dem können wir herlaufen.

Braun: Das ist sehr interessant. Also gerade dieser Aspekt Vertrauen bzw auch man könnte sagen Authentizität und dann mal wirklich ja offene Worte auch sprechen. Jetzt mit Blick auch auf das neue Verfahren, also die StaRUG Restrukturierung, ändert sich dadurch auch nochmal Ihrer Sicht nach etwas, weil da ja die Unternehmer auch nochmal stärker in der sagen wir mal Verantwortung sind, das Verfahren zum Beispiel selber zu initiieren.

Specovius: Ja, nach meinem dafür halten ändert sich da schon einiges. Warum? Weil ich dort in einer ganz anderen Position bin. Als Verwalter insbesondere oder aber auch nur als Eigenverwalter geh ich ja ins Organ. Das heißt, ich kann in das Unternehmen dort möglicherweise eingreifen. Ich kann bestimmte Maßnahmen verantworten die erforderlich sind. Und man hat auch ein ganz anderes Instrumentarium mit der Insolvenzordnung, als im StaRUG Verfahren. Und im StaRUG Verfahren ist es ja eher eine Moderatoren-Rolle zu versuchen, die anderen Gläubiger davon zu überzeugen, bestimmten Schritten zuzustimmen, damit das Unternehmen insgesamt eine Überlebenschance hat. Und Sie greifen da weniger in operative Maßnahmen ein und Sie nehmen auch keine Veränderungen auf der Basis der Seite Arbeitnehmerseite. Das können Sie über StaRUG gar nicht machen.

Erbe: Aber ergänzend dazu ich glaube von der Verfahrensart ist das alles genau so, wie Detlef es eben beschrieben hat. Zum Thema zwischenmenschliche Authenzität, Glaubwürdigkeit. Was sagen und danach auch so handeln, wie man es gesagt hat. Das sind im StaRUG die gleichen Voraussetzungen, die man einfach mitbringen muss, weil sowohl wenn man mit Gläubigern verhandelt denen man Beiträge abringen muss in dem StaRUG Verfahren als auch mit Belegschaft, Lieferanten, allen Stakeholdern, die an einem Unternehmen dranhängen. Da wird es immer darum gehen, ab dem ersten Tag eine gewisse Authenzität und auch Empathie mitzubringen. Damit man auch den Leuten ein Mitgefühl vermitteln kann, dass es im Unternehmen zwar nicht so gut läuft wie man es sich alle wünschen, aber dass man eine gewisse Sorge dafür trägt damit es wieder besser wird. Ohne die Lage kleinzureden oder besser zu reden als sie ist, aber auch nicht schlechter zu machen, als sie wirklich ist. Und ich denke, da gehört so ein gewisses Fingerspitzengefühl auch auf der zwischenmenschlichen Ebene einfach dazu.

Specovius: Jürgen hat einen Punkt genannt, den ich nochmal hervorheben möchte, weil er extrem wichtig ist: Offenheit und Ehrlichkeit in der Kommunikation gegenüber dem Arbeitnehmer. Es ist wichtig nur das zu sagen und zu versprechen, was ich auch halten kann und die Mitarbeiter und zwar immer vor Presse, vor sonstigen Stakeholder, vorher zu informieren über das was kommt und auch nicht vom Anfang an irgendwelche Wolkenkuckucksheime aufzubauen. Nach dem Motto: Es wird alles gut. Ihr werdet alle bleiben. Es gibt keine Veränderung. Und dann scheibchenweise wird mit anderen Punkten herauszukommen. Da machen Sie sich einfach unglaubwürdig. Vom Anfang an sagen. Ich sage dann, wenn ich was sagen kann, wenn ich aussagefähig bin und das was ich sage, was ich verspreche, das halte ich auch. Ansonsten sind Sie schnell wieder unten durch.

Braun: Ich stell mir das herausfordernd vor, dann auch sagen wir mal Einschnitte zu kommunizieren. Also nicht nur gegenüber den Gläubigern. Die wissen das in der Regel ja wahrscheinlich auch, dass man irgendwie so ein Verfahren auf sie zukommt, das dann was abzugeben ist. Aber wie gehen sie denn mit nicht so einfachen Entscheidungen um, die Sie dann ja auch treffen müssen.

Specovius: Erstens, indem ich diese selber kommuniziere. Das in der Regel ja. Es gibt natürlich bei einem Großunternehmen mit 4000 Mitarbeitern könnte ich, wenn da 10 prozent gehen sollen, das nicht jedem einzelnen sagen. Aber im großen Bereich. Man darf sich von dieser Aufgabe nicht drücken und das delegier ich mal an irgendwelche nachgerückten Schafe und die sollen das mal machen. Sondern das muss man auch fairerweise ich würde zu den Mitarbeitern sagen und auch begründen. Wir werden uns von 10 prozent der Mitarbeiter trennen müssen, weil… Vor einiger Zeit hatte ich ein Mandat gehabt da mussten wir uns von ein Drittel des Personals trennen, weil die Umsätze aber auch um ein Drittel eingebrochen sind. Das haben die ja auch verstanden. Das wenn ich nun auf 66 Prozent des Umsatzes mache die 100 Prozent der Belegschaft halten kann in einem Dienstleistungsunternehmen das überwiegend personal intensiv ist. Da war klar wenn ich dort Textilien nur veredelte, wenn ich 66 Prozent Umsatz erreiche, muss ich mich vom Personal trennen. Das ist natürlich Bedacht. Da muss man halt versuchen, gemeinsam mit dem Betriebsrat möglichst sozialverträgliche Lösung zu finden oder zu schauen welche Varianten gibt es. Dass ich Mitarbeiter nehme, die vielleicht überzeugen kann, die schon 60 plus sind, dann geh, obwohl du eigentlich sozialschutzwürdiger bist als der 30-Jährige Alleinverdiener und Alleinstehende. Dann geh du doch lieber. Du kannst noch zwei Jahre in die Arbeitslosigkeit gehen, dann kannst du in den Unruhestand wir zahlen dir noch etwas drauf. Und dann ist es für dich weitaus besser das abzufedern, als für den 30-Jährigen, der in dem Bereich groß geworden ist, der Schwierigkeiten haben wird ein Arbeitsplatz wieder zu finden.

Erbe: Für die Arbeitgeber denke ich aber ist es die schwierigste Kommunikation, wenn man jetzt zwischen den Stakeholdern vergleicht, weil die zum einen am aller härtesten betroffen sind. Weil wenn der Arbeitsplatz wegfällt, dann bricht ja quasi ein Kartenhaus eines Lebens zusammen und es fällt auch dem Individuum schwer diese Gedanken, die natürlich wichtig sind, den Dreissigjährigen im Unternehmen zu belassen und den Sechzigjährigen noch zwei Jahre die Arbeitslosigkeit und dann die Rente. Ich habe aber auch vollstes Verständnis, dass der Sechzigjährige der diese Nachricht bekommt, nur bedingt Mitgefühl mit dem Dreißigjährigen hat wenn er seinen Arbeitsplatz verliert. Deshalb sage ich ist es die schwierigste Kommunikation mit Arbeitnehmern zu sprechen, weil bei denen ja das alles oder nichts Prinzip gilt. Der Arbeitnehmer verliert entweder seinen Arbeitsplatz oder er bleibt da.

Erbe: Da gibt’s keine gute Nachricht neben der schlechten. Wohingegen und deshalb sage ich das, bei Lieferanten z.B. oder bei Banken, da kann man ja immer argumentieren: Ihr nehmt jetzt einen Schnitt hin auf eure Verbindlichkeiten. Ihr behaltet aber einen Kunden aus eurer Sicht den ihr, wenn das Restrukturierungsverfahren abgeschlossen ist, weiter beliefern könnt. Da habt ihr weiter eure Absätze. Mit diesen Kunden könnt ihr weiter Umsätze machen, wohingegen der „worst case“ Schließung des Unternehmens dazu führen würde, dass der Kunde ersatzlos wegfallen würde. Genauso ist es auch bei Banken. Die werden natürlich, wenn sie Kredite gegeben haben die nicht bedient werden können, ebenfalls Einschnitte hinnehmen müssen. Aber da kann ja auch ein Kunde bestehen bleiben, wenn das Verfahren erfolgreich abgeschlossen ist. Diese Argumente fallen natürlich bei einem Arbeitnehmer weg, denn er wird ja nicht wenn das Restrukturierungsverfahren erfolgreich abgeschlossen ist, wieder eingestellt.

Specovius: Bei einem Arbeitgeber darf man auch eins nicht vergessen. Es geht ja nicht nur ums Geld. Natürlich werden die arbeitslos, bekommen weniger, müssen neu suchen. Häufig ist es ja auch so, dass Arbeitnehmer 20-30 Jahre in dem Unternehmen gearbeitet und möglicherweise am selben Arbeitsplatz, mit denselben Kollegen mit denen man von Montag bis Freitag war, mehr Stunden und Zeit verbracht hat, als mit der eigenen Ehefrau. Und aus diesem Verhältnis wird man ausgerissen. Und das bedeutet für viele Sie müssen sich vollkommen neu orientieren. Wer sind denn in Zukunft meine sozialen Kontakte? Mit wem hab ich denn noch Kontakt? Natürlich sagt man, ich will dann rausgehe, wir halten den Kontakt.

Specovius: Aber jeder weiß, es ist schwierig. Manchmal gelingt es, manchmal auch nicht. Und dann fehlt ihnen noch was, dann fehlt der Kollege, mit dem Sie am Montagmorgen über das Fußballspiel am Wochenende reden können? Was zuhause sitzen und die Frau keine Ahnung und kein Interesse am Fußball hat? Das sind die Punkte, die man auch noch berücksichtigen muss. Und in der Tat die professionellen Gläubiger die haben auch häufiger noch den Vorteil, dass es das erste Verfahren ist das die mitmachen. Die kennen und wissen auch genau, wenn der Antrag gestellt wird, da ist bei denen schon klar wir werden 60, 70, 80 oder noch mehr Prozent aufsuchen müssen. Das ist für dich auch nicht überraschend. Da der Arbeitnehmer bis zuletzt immer hofft und wünscht. Und deshalb muss man auch in der Kommunikation sich den Arbeitnehmer besonders widmen. Durch Betriebsversammlungen durch was ich zum Beispiel auch jedes Mal häufig mache, ist in den Fällen, in denen ich in der Geschäftsführung bin, dass ich am Freitag eines jeden Tages eine E-Mail an alle Mitarbeiter richte. Was haben denn diese Woche erreicht? Was war unser Ziel? Was war gut, was war schlecht? Und dann auch ein schönes Wochenende wünsche, sodass die immer informiert sind und aus erster Hand wissen wo stehen wir eigentlich? War ja als einzig unterschätzender die Gerüchteküche.

Braun: In der Tat, ja. Diesen Punkt, den Sie gerade beide angesprochen haben der Erfahrung, also Sie hatten das bei den professionellen Gläubigern z.B. erwähnt, dass da so eine gewisse sagen wir mal Routine auch schon mit dabei ist. Jetzt sind Sie beide natürlich auch erfahrene Restrukturierungsberater bzw. auch Insolvenzverwalter. Bei einem StaRUG Verfahren ist ja in der Regel meistens eine gewisse Vorlaufzeit da, dass man sich mal auf sowas vorbereiten kann. Bei Ihnen, Herr Erbe, ist das wenn Sie jetzt als Insolvenzverwalter bestellt werden, ja eher so der Anruf vom Gericht kommt und dann bekommen Sie dann entsprechend das Verfahren. Eine Frage an Sie beide vielleicht an Sie zuerst, Herr Erbe. Wie bereiten Sie sich denn auf sowas dann auch vor? Weil das natürlich so ein bisschen der Sprung ins kalte Wasser mitunter ja auch ist.

Erbe: Also wie Sie richtig sagen, da kommt der Anruf des Gerichts beim Insolvenzverfahren, da kann man sich nicht darauf vorbereiten. Da muss man einfach gucken, dass man dann schnell handlungsfähig wird. Da geht’s am Anfang einfach auch ein bisschen, um Geschwindigkeit schnell im Unternehmen zu sein, über das dann normalerweise ja zunächst einmal als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde und dann Prioritäten zu setzen, weil natürlich erwartet von dem vorläufigen Insolvenzverwalter jeder, dass er Heil bringt in der Situation in der durch den Insolvenzantrag zunächst mal ganz große Unsicherheit eingetreten ist. Und dann geht es darum, wirklich Prioritäten zu setzen und mit den entsprechenden Leuten Gespräche zu führen. Dazu gehört natürlich zum einen die Geschäftsführung, aber auch und das ist der komplett absolut nächste Schritt, dass man unmittelbar die Arbeitnehmer zusammen trommelt. Weil es gibt nichts Schlimmeres als wenn sich in der Belegschaft über die lokale Presse z.B. Gerüchte breitmachen, welche Investoren hier schon vor der Tür stehen und übernehmen wollen und welchen Arbeitsplatzabbau die schon geplant haben. Dann guckt ja jeder sich auf die eigenen Füße und es entwickelt sich eine Eigendynamik im negativen Sinne, die man definitiv durch Kommunikation vermeiden kann.

Erbe: Und das ist, glaube ich auch ein ganz wichtiger Punkt in der ersten Phase eines solchen vorläufigen Insolvenzverfahrens, auf das man sich gar nicht vorbereiten konnte. Das man eben offen und vor allem auch schnell kommuniziert, nicht das Blaue vom Himmel verspricht, weil das können sie in den ersten Tagen nicht, in denen sie vielleicht gerade mal die Akte gelesen haben, mit der Geschäftsführung gesprochen haben. Manchmal, sehr häufig sogar, muss man die Informationen die man bekommt auch mit Daten und Fakten validieren. Das subjektive Empfinden eines mittelständischen Geschäftsführers, der das Unternehmen groß gemacht hat ist nicht zwingend das, was auch andere Leute Ihnen über Krisenursachen, über den Grund einer Insolvenz berichten. Da geht’s drum, jeden anzuhören und jedem Vertrauen zu schenken. Aber auch die Informationen die man gesammelt hat, mit Daten abzugleichen. Und das passiert natürlich nicht in den ersten Stunden, sondern in den ersten Stunden geht’s darum zu sagen „Wir sind hier. Wir gucken uns diese ganze Sache an. Wir haben für jeden ein offenes Ohr.“ Wenn ich als Insolvenzverwalter oder vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt bin, nehme ich mich meistens auch der Belegschaft an, entweder über den Betriebsrat, wenn es einen solchen gibt, Fragen zu stellen und diese zu kanalisieren, damit die dann auch von uns geordnet beantwortet werden können. Und das sind meines Erachtens die wichtigen Schritte in den ersten Stunden und Tagen, wenn man sich auf ein solches Verfahren nicht vorbereiten konnte.

Specovius: Ich glaube, dass in diesen drei Verfahrensarten Insolvenzverfahren, Eigenverwaltung und StaRUG in unterschiedlichen Rollen haben. Der Verwalter ist derjenige vom Gericht bestellt. Da kann einem die Nase des Erbe passen oder nicht als Geschäftsführer. Das Gericht sagt der Erbe ist der Verwalter, mit dem musst du klar kommen, ob du willst oder nicht. Im Eigenverwaltungsverfahren werden Sie ja mandatiert. Das heißt, A: Sie haben einen etwas längeren Vorlauf, weil Sie sich als Paar vorbereiten müssen. Sie müssen die Anträge vorbereiten. Sie müssen sich auch schon Gedanken darüber machen: Wo soll das Unternehmen eigentlich hin? Gibt’s einen Restrukturierungsplan? Gibt es ein IDW S6 Gutachten ja oder nein? Und Sie können auch im Vorgespräch mit der Geschäftsführung schon mal darauf hinweisen, dass wenn man das Unternehmen über einen Plan B organisieren will, man ja wissen will „Was soll denn eigentlich mal anders werden?“ Es kann ja nicht nur sein, dass wir nur ein bisschen Personal abbauen und wir trennen uns von ein paar schlechten Verträgen, oder ansonsten machen wir so weiter wie bisher.

Specovius: Da muss man auch eine Krisenursachenanalyse betreiben und wissen: Was ist die Ursache? Warum sind wir hier? Was muss ich ändern, damit es in Zukunft wenn wir dort in den Beratungstermin gehen, den Plan vorstellen, den Gläubigern auch glaubhaft vermitteln zu können, warum es mit dem Unternehmen XY besser laufen. Da müssen sie aber auch mehr moderieren, da können sie nicht einfach Kraft Ordre du Mufti so wie das der Verwalter kann, handeln, sondern sie müssen konsensual versuchen mit der Geschäftsführung Lösungen zu erarbeiten und ähnliches am StaRUG Verfahren. Da haben sie zwar die Arbeitnehmerseite in der Intensität, quasi in deren Rechte gar nicht eingreifen können. Aber sie müssen genau versuchen, zwischen den einzelnen Stakeholdern zu moderieren, damit es dort gelingt die alle unter einen Hut zu bekommen. Oder zumindest fast alle. Je nachdem, welche Quoren sie da gerade brauchen

Braun: Ja es ist eine gewisse Herausforderung, diese Moderation. Weil gerade auch jetzt der Familienunternehmer, der Geschäftsführer im mittelständischen Unternehmen, der hat ja mitunter eine ganz andere Sicht auf die Dinge. Wie ist denn das, stoßen sie da auch oft auch auf Widerstand, also dass man gewisse Probleme einfach vielleicht nicht sehen will.

Specovius: Ja, natürlich. Sie stoßen auf Widerstand und was ja auch nicht unerheblich ist, der hat ja häufig auch private Interessen durch Bürgschaften, durch Sicherheiten aus dem privaten Bereich die er gestellt hat. Der sieht jetzt nicht nur sein Unternehmen den Bach runtergehen, sondern auch seine private Existenz. Und muss befürchten, dass er möglicherweise am Ende der Fahnenstange selber einen Antrag stellen muss. Und das ist natürlich für die Menschen extrem schwierig zu erkennen. Und da muss man auch versuchen, auf die einzugehen und mit ihnen gemeinsam Lösungen zu finden – mit den Stakeholdern, das gilt auch dort – über eine Bürgschaft über einen bestimmten Betrag , um ihnen eben noch das Weitermachen überhaupt zu ermöglichen. Denn wenn der weiß ich soll das Unternehmen weiterführen, insbesondere wenn man von ihm abhängig ist. Aber mir bleibt am Ende der Hartz IV-Satz. Dann ist die Bereitschaft, sich da zu engagieren nicht sehr ausgeprägt.

Braun: Ist das auch so ein Punkt an dem Sie feststellen, dass sich da dann auch auf Unternehmerseite was geändert hat? Also dass man da vielleicht jetzt nicht mehr so den Patriarchen der alten Schule hat, sondern den vielleicht etwas offeneren, stärker mit Transparenz zeigenden Unternehmer? Oder ist das immer noch sehr unterschiedlich?

Erbe: Ich glaube, es kommt ganz auf die Unternehmensgröße und auf die Unternehmensstruktur an. Wenn Sie einen fremden Geschäftsführer haben, dann ist dieser patriarchalische Herrscherart nicht so häufig. Wenn Sie aber den Gesellschafter Geschäftsführer haben, der das Unternehmen von seiner eigenen Garage bis hin zum gehobenen Mittelstand aus eigener Kraft geschaffen hat, dann hat man schon eher die Konstellation, dass es einen gibt der den Ton angibt und alle anderen in diese Richtung laufen, die ihnen eben vorgegeben wird. Da könnte man vielleicht sogar wieder den Bogen spannen zu der anfangs gestellten Generationenfrage. Ich glaube, dass sich das auch ändert auch wenn die zweite oder die dritte Generation im Unternehmen ist.

Erbe: Da ist es häufig so, dass wenn die zweite Generation übernommen hat, sich auch der Führungsstil ändert. Entweder weil die zweite Generation eine andere Art von Ausbildung genossen hat. Dies ist ja sehr häufig so. Gerade jetzt hier bei uns im Süden Deutschlands, in Baden-Württemberg und Bayern, wenn man von den Maschinenbauern ausgeht. Der Gründer hat das Unternehmen groß gemacht und kommt meist das ist jetzt alles ein bisschen sehr oberflächlich betrachtet, aber kommt meist aus dem technischen Bereich. Und nicht selten hat die zweite Generation aber dann ein Betriebswirtschaft Studium hinter sich gebracht, weil sie angehalten wurden vom Firmengründer Betriebswirtschaft zu studieren z.B. Schon allein aus diesen Ausbildungsgründen oder Ausbildungs-Szenarien ändert sich dann der Führungsstil und die Führung eines Unternehmens, was ja auch an Größe sehr stark dann normalerweise zugenommen muss.

Braun: Jetzt erinnere ich mich dran, dass Sie Herr Specovius ja vorhin auch gesagt haben „Ich schreib dann immer am Freitag eine Mail an alle was haben wir erreicht, was wollen wir weiter sozusagen für Ziele angehen.“ Herr Erbe, Sie haben auch gerade gesagt der Maschinenbauer, welchen Unterschied macht das denn, wenn man mal auf Basis der Digitalisierung, weil man kann ja in einem Unternehmen, das doch stark in der Produktion ist, nicht einfach jedem Mitarbeiter ne E-Mail schreiben. Also wie geht man denn da zum Beispiel vor?

Specovius: Es gibt natürlich auch andere technische Möglichkeiten. Also bei Condor da gab es jeden Monat, jedes Wochenende entsprechende Veröffentlichung. Gerade auch weil ja die meisten Mitarbeiter der Condor gar nicht vor Ort sind. Condor hat 400.000 Mitarbeiter, davon sind 300.000 fliegendes Personal. Und die sind in der Regel nicht in der Zentrale. Da gab es über Apps, dass die Berichte darüber eingestellt worden sind. Da konnten die halt irgendwo auf der Welt, wenn sie mal wieder 5 Tage Aufenthalt in der Dominikanischen Republik hatten, nachlesen was in Deutschland alles passiert ist. Da muss man natürlich die technischen Möglichkeiten, die das Unternehmen mittlerweile hat bieten. In den anderen Fällen wo sie eine Produktion und Maschinen haben, da werden die Bestände ausgedruckt und ausgehängt. Das Schwarze Brett, das gibt’s dann auch noch.

Erbe: Die Sprache muss auch eine andere sein. Je nach Betriebsart muss man ganz ehrlich sagen. Wenn ich ein Startup habe, wo der älteste Mitarbeiter 25 Jahre alt ist, kann ich da gegebenenfalls anders kommunizieren, sowohl was die technischen Möglichkeiten angeht, als auch die gewählte Sprache. Als wenn ich Maschinenbauer habe Großteils 50, 60 jährige an der Werkbank stehen, dann muss ich mich eben darauf einlassen. Aber das ist ja das, was unsere Tätigkeit so interessant und spannend macht, dass eben jeder Fall sich in vielen Facetten von dem vorherigen unterscheidet.

Specovius: Zusammenfassend kann man sagen es ist wichtig, die Mitarbeiter mitzunehmen, denn sie können keine erfolgreiche Restrukturierung betreiben gegen den Willen der Mitarbeiter. Da lassen sie Sie auflaufen und irgendwann entwickelt sich so eine LMAA-Stimmung, dann sollte man sehen wie weit man kommt. Und da kommen sie nicht weiter.

Braun: Gibts dann da aus Ihrer langjährigen Erfahrung? Beispiele, wo Sie sagen „Okay, da ist das wirklich gut gelungen“ oder da ist es vielleicht auch einfach dann nicht gelungen. Jetzt nicht mit Blick auf die Mitarbeiter, sondern generell.

Specovius: Vielleicht ich überlege, ob ich aus meiner langjährigen Erfahrung einem Fall sagen kann, im Nachhinein selbstkritische Akquise: Das war alles blöd. Auf Anhieb fällt mir da keine kein Fall ein. Vielleicht ist aber dieses Grundverständnis von vornherein offen und ehrlich zu kommunizieren, von Anfang an praktiziert worden ist. Und das ist normal, dass man natürlich gelegentlich mal die Ziele nicht erreicht kann. Also ich habe jetzt vor kurzem bei der Pressemitteilung im Unternehmen den Geschäftsbetrieb komplett einstellen müssen. Was wir am Anfang des Verfahrens so nicht geglaubt haben. Wenn sie durch diese Gießerei gegangen sind, das ist kein Museum, das sind zum Teil sehr moderne, gute Maschinen die hervorragend ausgeführt wurden für eine Gießerei. Sehr, sehr sauber, sehr ordentlich. Und trotzdem haben die Kunden sich anderweitig orientiert. Es kam auch noch die Corona-Krise hinzu.

Specovius: Da waren die ohnehin schon sehr vorsichtig, haben sich anderweitig orientiert mit der Folge, dass wir am Ende des Tages nicht mehr genügend Aufträge hatten, um den Geschäftsbetrieb für ein Unternehmen mit dem Zuschnitt weiter fortführen zu können. Und das ist natürlich bitter. Das war noch kurz vor Weihnachten also Dezember 2020. Wenn sie sich dann in der Belegschaft versammeln, vor die Mitarbeiter stellen müssen und sagen „Wir produzieren jetzt aus und es geht jetzt nur noch darum, machen wir bis zum 31.03. oder bis zu 30.06. weiter. Aber dann ist definitiv Schluss“. Dann ist alles andere als auszubluten steuerpflichtig und das macht man sich auch nicht leicht. Da geht man auch nicht rein und sagt also gut das ist jetzt so, man hat ja seinen Arbeitsplatz. Das sind so Sachen, auch wenn ich im Größeren Maße Stellen abbauen muss, wo man selber mal ein paar Nächte schlecht schläft.

Braun: Kann ich absolut nachvollziehen, dass es nie eine schöne Sache ist. Und vielleicht nochmal kurz auf das Thema der unterschiedlichen Unternehmen bzw. wie sich die Digitalisierung auch in Ihrer Arbeit niederschlägt, kann man dann auch sagen, dass Sie sich durch die Digitalisierung verändert? Also vielleicht mal mehr Daten basiertes Arbeiten, vielleicht auch mehr Auswertung in irgendeiner Form? Oder ist das auch sehr viel Erfahrung, Fingerspitzengefühl?

Specovius: Ich kann ja erstmal aus meiner Sicht berichten und dann kann Jürgen aus der Sicht des 20 oder 30 Jahre jüngeren berichten. Natürlich hat sich vieles geändert. Also wenn ich allein war, das ist keine Digitalisierung, aber als ich allein zu Beginn meiner Laufbahn jeden Tag so einen Posteingangskorb hatte. Das alles händisch bearbeitet werden musste, diktiert werden musste usw. Und wenn ich dann ja mal auf Reisen war, hab ich dann meistens extra große Koffer gebraucht, damit ich wirklich alles an Akten mitnehmen kann. Heute reicht der Laptop, weil in der Regel alles drauf ist. Heute kriege ich kaum noch physische Post, nur von Behörden und der Rest kommt per Mail. Das heißt auf der einen Seite ich bin viel flexibler, ich kann auch woanders arbeiten und ich muss nicht immer hier nach Achern kommen und ins Büro um dort meine Post einsehen zu können, oder sie mir nachschicken lassen. Da hat sich was geändert, sehr viel geändert. Und es ist natürlich so, dass ich auch heute über Cloud etc. sehr viel mehr Daten. Also ich kenne noch physische Datenräume im Rahmen eines M&A Office, wo man sich irgendwo eingemietet hat, wo man dann acht Wochen im Datenraum saß um alles auszuwerten. Wenn man das heute erzählt gucken die mich an, als würde ich vom Krieg erzählen. Völlig undenkbar. Da es ja auch Datenräume und dadurch kann ich dann auch viel schneller viel mehr Informationen bekommen, und ich kann mich viel schneller ins Unternehmen reinlesen.

Erbe: Ja, ich denke da muss man unterscheiden zwischen Digitalisierung in unserer eigenen Unternehmung hat ja auch eine Art Digitalisierung stattgefunden. Wie wir arbeiten um unser tägliches Geschäft abzuwickeln, was Flexibilität des Arbeitsortes angeht, verschiedene Softwarenutzung und so weiter. Das ist glaube ich was man in den Verfahren merkt ein Datenraum aufzustellen z.B. für einen M&A Berater. Das geht heutzutage innerhalb wenn es gut läuft eines Tages, weil die Dokumente die liegen alle schon nicht mehr in Papier vor, sondern die sind schon irgendwo im Unternehmen, wenn es ordentlich geführt ist gescant. Wir brauchen nur jemanden, der die relevanten Dokumente in den dafür vorgesehenen Datenraum einfach hochlädt per Mausklick. Früher hat man und das gedeckt sogar noch mir, auch wenn wir diese Datenräume, die mit Ordner besteht.

Erbe: Ich habe diese tatsächlich in meiner Tätigkeit mal einen gesehen, so einen Datenraum der mit Papier bestückt war. Der Großteil der Datenräume die ich kenne sind vor dem Bildschirm, indem man sich quasi virtuell bewegt. Aber um auf die Verfahrensbearbeitung zurückzukommen, diesen Datenraum der dann im Rahmen eines M&A Prozesses erstellt wird. Das geht deshalb in Windeseile, weil keine Dokumente mehr eingescannt werden müssen. Es müssen keine mehr aus dem Archiv geholt werden. Deshalb glaube ich findet die Digitalisierung auch in der Restrukturierungsarbeit dahingehend statt, dass man wesentlich an Geschwindigkeit gewonnen hat die man dann auch echt gut nutzen kann, weil während einer Restrukturierung egal jetzt welcher Art, ob StaRUG, Insolvenzverfahren oder Eigenverwaltungsverfahren zählt Zeit als ganz großer Faktor. Und wenn man da die Digitalisierung sinnvoll einsetzen kann, um sich dadurch Zeit zu sparen und auch Ressourcen frei zu schaffen, dass die Leute sich anderen Arbeiten widmen können von denen es immer genug gibt wenn restrukturiert werden muss, dann kommt immer zum Tagesgeschäft zusätzliche Arbeiten hinzu. Wenn man sich da technische Mittel zunutze machen kann, dann ist es glaube ich ein Mehrwert auf allen Seiten.

Braun: Jetzt mal so ein bisschen ein Blick in die Zukunft werfen. Wie wird sich denn Ihrer Meinung nach die Führung bzw. auch die Führung in der Krise oder vielleicht Restrukturierung generell? Wie wird sich das aus Ihrer Sicht weiterentwickeln?

Specovius: Also ich weiß nicht, ob sich so viel ändern wird. Ich habe meine ersten Führungserfahrung gemacht 1982 bei der Bundeswehr. Ich war damals Reserveoffizier. Wir haben entsprechende Fortbildungsveranstaltungen gehabt, habe also auch Lehrgänge geführt von Pädagogen. Und das was ich damals gelernt hab gilt bis heute „Führen durch Vorbild“ z.B. Das heißt ich kann von meinen Mitarbeitern und von Mitarbeiter in einem Unternehmen nicht mehr verlangen, als ich selber weiß. Ich kann von denen nicht erwarten, ihr müsst in dieser Phase ausnahmsweise von 8 bis 20 Uhr arbeiten. Und ich sage um 17 Uhr so ich geh dann mal Tennis spielen. Da wird man unglaubwürdig. Und genauso auch dieses Nachhalten dessen, was bei angeordnet hat. Das habe ich bei der Bundeswehr nach Befehl und Gehorsam. Ich habe Befehl erteilt, da musste derjenige den ausführt auch zurückmelden „vollzogen“.

Specovius: Heute mache ich im Grunde nichts anders. Ich sage ich mache was, mache einen Vermerk und guck hat der das auch gemacht. Bis ich weiß, demjenigen kann man soweit vertrauen, dass ich das lockern kann oder gar nicht mehr machen muss. Deshalb bleiben die Prinzipien im Grunde eigentlich gleich und die Menschen bleiben im Wesentlichen auch gleich. Ja und die Menschen wollen und es gibt einen weiteren Satz für mich was ganz entscheidend ist, weil man sagt Menschen arbeiten nicht für Unternehmen, Menschen arbeiten für Menschen. Ja, ich muss versuchen, innerhalb kurzer Zeit den Leuten das Vertrauen zu geben. Der weiß, was er sagt. Das was er macht, macht er richtig und gut. Und dem kann ich sogar einfach vertrauen. Und dann können Sie die auch mitnehmen. Meistens, dass es immer mal bei Querköpfe und Stinkstiefel gibt ist normal. Aber auch das ist menschlich. Menschen neigen häufig dazu, schlechten Nachrichten eher zu glauben als guten. Und dann haben sie halt einen Querkopf dabei.

Erbe: Ich glaube auch, dass sich das Grund Setting der Führung nicht ändern wird.

Specovius: Auch eine junge Generation spricht vom Grund Setting.

Erbe: Ja und vielleicht dann noch einen Anglizismus zu nehmen, wenn man Personal anspricht, dann hört man ja ganz häufig den Satz „We have a attitude, because we can teach skills.“ Und ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Faktor in der Krisenführung und auch im Krisenmanagement, dass man eben die Attitude, die muss man schon mitbringen. Da wird auch die Digitalisierung nichts dran ändern. Der Mensch muss mit den anderen Menschen irgendwie können. Und ob man dann über digitale Datenräume spricht oder in Papierform oder ob E-Mails verschickt werden oder Faxe. Das ist alles eine Arbeitshilfe, die sich in Zukunft sicher noch rasant ändern wird. Ich bin gespannt, bis ich das Rentenalter erreiche, da wird man noch ganz andere technische Fortschritte erreichen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass ein Roboter mal eine Betriebsversammlung hält. Das wird nicht funktionieren. Da brauchen Sie jemand, der empathisch da vorne steht und den Leuten auch mit einer gewissen, Einfühlsamkeit auf ihre Fragen antwortet. Das wird nicht eine Maschine übernehmen können, wie auch der technische Fortschritt sich immer gestalten wird in Zukunft.

Specovius: Wenn am Ende eines Verfahrens die Mitarbeiter zu ihnen kommen, oder das Führungspersonal sagt „Schade das Sie gehen, aber wir sind auch froh aus diesem Verfahren rauszukommen“ und Sie über das Verfahren hinaus dann noch Kontakt zu den halten, oder die zu ihnen halten. Dann haben Sie eigentlich gute Arbeit gemacht

Matthias Braun: Wunderbar das ist ein perfektes Schlusswort. Also vielen Dank.

Detlef Specovius: Danke Dafür.

Matthias Braun: Wir haben viele spannende Einsichten bekommen und sehr viel Interessantes über das Thema Führung in der Krise, Krisenmanagement gehört von Ihnen beiden. Herr Dr. Erbe, Herr Specovius, vielen Dank für das interessante Gespräch. Ich hoffe, dass wir das zu gegebener Zeit dann fortsetzen können.


Listen Restructure Restructum

In diesem Podcast beschäftigen wir uns mit Change Management und dem neuen Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz StaRUG. Es geht um die Anwendung, Erfahrungen und Lehren, die man daraus ziehen kann, und um Führung in der Krise. Denn in jeder Krise liegt auch eine große Chance, mit neuem Schwung in die Zukunft zu starten.