Episode 5 – Der richtige Vergleich macht den Unterschied: Die Bedeutung der Vergleichsrechnung im Restrukturierungsplan

Äpfel mit Birnen vergleichen soll man eigentlich nicht. Aber muss man nicht bei der Vergleichsrechnung im Restrukturierungsplan genau das tun – nämlich zwei unterschiedliche Szenarien nach denselben Maßstäben bewerten? In der Praxis hat sich dies als gar nicht so einfach erwiesen. Das Vergleichsszenario muss so berechnet und dargestellt werden, dass es die zweitbeste Lösung für die Gläubiger ist. Mit der Expertin Dr. Elske Fehl-Weileder sprechen wir über die Herausforderungen und Besonderheiten, die es bei einer Vergleichsrechnung gibt, und wir diskutieren über die Auslegung der Punkte, die im StaRUG offen geblieben sind. Ein Gespräch, in dem keine Äpfel und Birnen vorkommen, das aber die enorme Bedeutung der Vergleichsrechnung für die Restrukturierung eines Unternehmens und die Abstimmung mit den Gläubigern zeigt.

Matthias Braun: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Listen-Restructure-Restructum. Ich freue mich, dass ich heute Dr. Elske Fehl-Weileder bei mir habe. Sie ist eine erfahrene Saniererin und Restrukturiererin und ich möchte mich mit ihr heute zum einen über die Unterschiede zwischen Insolvenz- und Restrukturierungsplan unterhalten, und wir wollen ein Blick auf die sogenannte Vergleichsrechnung werfen, bei der sich gerade in Zusammenhang mit dem Restrukturierungsplan einiges getan hat. Hallo Frau Fehl-Weileder.

Dr. Elske Fehl-Weileder: Hallo, Guten Tag, Herr Braun.

Braun: Wir haben ja gerade schon angesprochen, dass wir einmal einen Blick auf den Insolvenzplan und auch sehr stark auch auf den Restrukturierungsplan werfen wollen. Wie sind denn die beiden Pläne voneinander zu unterscheiden bzw. welche Gemeinsamkeiten gibt es denn vielleicht auch?

Dr. Fehl-Weileder: Die Gemeinsamkeiten bestehen im Wesentlichen in der Struktur. Der Restrukturierungsplan im StaRUG wurde von seinem Aufbau her stark am Insolvenzplan orientiert. Im Groben gesagt es gibt einen darstellenden Teil und einen regelnden Teil sozusagen. Ein gestaltenden Teil wie es im Gesetz heißt: Das ist also parallel in beiden Verfahren gleich. Der große Unterschied besteht darin, dass im Insolvenzplanverfahren alle Gläubiger miteinbezogen werden. Im StaRUG-Verfahren, im Restrukturierungsplan ist das anders. Hier kann sich der Schuldner, also der Planersteller, aussuchen, welche Gläubige er in den Plan einbeziehen will. Es gibt allerdings auch eine Begrenzung sozusagen dabei, nämlich eine Gruppe von Gläubigern, die nicht einbezogen werden kann in einem StaRUG Verfahren, anders als im Insolvenzplanverfahren, das sind die Arbeitnehmer.

Das heißt also unter dem Strich kann derjenige Schuldner, der einen Restrukturierungsplan erstellt sich frei aussuchen, welche Gläubiger (außer Arbeitnehmern) er in seinen Plan einbezieht und welche Regelungen er mit ihnen treffen möchte, also insbesondere welche Planbeiträge er von ihnen verlangt. Das können Forderungsverzichte sein, Teilforderungsverzichte in der Regel, aber man kann auch andere Bestimmungen regeln, z.B. Fälligkeiten von Rückzahlungen verschieben, oder auch einzelne Vertragsbedingungen regeln. Was am Ende gewährleistet sein muss, damit der Plan verabschiedet werden kann, ist die Zustimmung von mindestens 75 Prozent der in den Plan einbezogenen Gläubiger.

Braun: Das ist interessant, weil Sie haben jetzt gerade auch sehr schön dargestellt, wieviel Gestaltungsspielraum der Schuldner auch beim Restrukturierungsplan hat. Jetzt ist es ja so, dass der Schuldner nicht einfach nur sagen kann „Hier liebe Gläubiger habt ihr den Plan, jetzt entscheidet mal“, sondern es muss ja auch einen Vergleich geben und das ist ja in dem Fall in der Vergleichsrechnung dargestellt, die dann also eine sehr große Rolle spielt. Vielleicht kurz zu Beginn was ist denn die Vergleichsrechnung? Wie ist die denn definiert?

Dr. Fehl-Weileder: Die Vergleichsrechnung ist leider gar nicht definiert und war auch vor dem StaRUG im Gesetz gar nicht geregelt. Im Insolvenzplanverfahren wurde das in der Regel gemacht, dass eine Vergleichsrechnung in den Plan aufgenommen wurde. Das ist aber auch jetzt erst im Zuge des SanInsFoG, dass uns das StaRUG beschert hat, aber auch einige Änderungen der Insolvenzordnung, ist es auch für das Insolvenzplanverfahren als verpflichtender Teil des Insolvenzplanes eingeführt worden. Kurz gesagt soll die Vergleichsrechnung den Planbeteiligten aufzeigen, dass sie durch die Planregelungen also durch den Vorschlag, den der Schuldner mit seinem Plan unterbreitet, bessergestellt werden oder jedenfalls nicht schlechter als sie ohne den Plan stünden. Und das wirkt sozusagen auf zwei Ebenen. Das ist zum einen wichtig schon mal für die Entscheidung der Planbeteiligten, ob sie den vorgeschlagenen Planregelungen zustimmen wollen.

Es kann aber auch tatsächlich aus formellen Gründen entscheidend sein, und da muss ich jetzt kurz ein bisschen ausholen zum Verfahren im StaRUG. Es ist so, dass ein Restrukturierungsplan nach dem StaRUG völlig ohne gerichtliche Beteiligung durchgeführt werden kann. Das setzt allerdings voraus, dass sämtliche planbetroffene Gläubiger den Planregelungen zustimmen. Droht das nicht der Fall zu sein, kann der Planersteller sich an das zuständige Restrukturierungsgericht wenden und darum bitten, dass der Plan bestätigt wird, auch gegen den Widerstand einzelner Gläubiger. Und in dem Fall, dass der Schuldner diese gerichtliche Bestätigung einfordert, hat wiederum der überstimmte Gläubiger die Möglichkeit, ein Rechtsmittel einzulegen bei Gericht und sich darauf zu berufen, dass er durch den Plan schlechter gestellt wwürde, als er ohne den Plan stünde. Und das ist natürlich ein Punkt, an dem es dann ganz entscheidend auf diese Vergleichsrechnung ankommt, aus der sich eben ergibt, dass die Planbeteiligten nicht schlechter gestellt werden. Und in einem solchen Rechtsmittelverfahren, das durch einen überstimmten Gläubiger angestoßen wird, ist dann eben genau diese Vergleichsrechnung im Kern zu überprüfen, also ob das überhaupt so zutreffend ist.

Braun: Da zeigt sich ja dann auch die enorme Bedeutung welche die Vergleichsrechnung im Restrukturierungsplan ja dann auch hat. Denn natürlich die beste Variante ist, dass die Gläubiger nachvollziehen können und verstehen, dass sie mit dem Plan und dem entsprechenden Szenario natürlich dann auch bessergestellt sind, als in einem anderen Fall. Dieses Vergleichsfortführungsszenario, das dann ja den Gläubigern auch dargestellt werden soll, wie ist das den im konkreten Fall dann zu ermitteln?

Dr. Fehl-Weileder: Das ist eine gute Frage, die auch die Praxis tatsächlich schon beschäftigt hat. Auch schon bevor das Gesetz überhaupt eingeführt wurde, hat man die Vergleichsrechnung in der Szene schon identifiziert als einen der wichtigsten Knackpunkte in dem Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG. Denn in der Tat klingt es so einfach „Sie müssen ein Vergleichsszenario gegenüberstellen“, aber es ist in der Praxis nicht ganz einfach. Wenn man mal in die EU-Richtlinie 2019/2023 guckt, in deren Umsetzung das StaRUG ja eigeführt wurde, dann ist dort die Rede vom nächstbesten Alternativszenario, das heranzuziehen ist. Und daraus kann man ja den Schluss ziehen, dass man die Planregelungen vergleichen muss mit dem, was danach sozusagen das Zweitbeste für die Gläubiger wäre in Bezug auf die Ergebnisse, die sich für die Gläubiger aus diesen Regelungen erwarten lassen. Und das kann natürlich je nach konkreten Einzelfall entweder ein Insolvenzplanverfahren sein, ein Eigenverwaltungsverfahren, eine Fortführung in der Insolvenz, oder ein Verkauf des Unternehmen in oder auch außerhalb der Insolvenz, da ist also eine große Brandbreite an denkbaren Szenarien die man da heranziehen könnte.

Und die spannende Frage die sich jetzt da aus meiner Sicht in der Praxis stellt, das ist ja das eine „Was ist das nächstbeste für die Gläubiger?“ also, wo kriegen die Gläubiger wirtschaftlich nächstbeste/ zweitbeste Ergebnis? und die andere Frage ist ja „Wie wahrscheinlich ist denn dieses Szenario?“ Und genau das hat der Gesetzgeber und auch der Richtlinien-Gesetzgeber nicht geregelt. Es steht also tatsächlich im Wortlaut nichts dazu drin wie wahrscheinlich denn dieses Vergleichsszenario sein muss. Meiner Beobachtung nach kristallisiert sich da eine herrschende Meinung dafür raus, dass man zumindest kein unwahrscheinliches Szenario als Vergleichsszenario heranziehen darf, sondern, dass dieses Szenario mit dem man seine Planregelungen vergleicht, überwiegend wahrscheinlich auch in seiner Umsetzbarkeit sein muss. Das würde nach meinem Verständnis bedeuten, dass es zumindest zu 50,1 Prozent wahrscheinlich umsetzbar sein müsste.

Da wird sich sicherlich in der Praxis noch einiges an Diskussion tun. Was der Gesetzgeber ursprünglich wollte, vielleicht ist das auch ganz interessant, diesen Gedanken nochmal mit einzubeziehen, er wollte natürlich verhindern, dass der Planersteller alle anderen denkbaren Szenarien schlecht rechnet und damit sein eigenes Szenario, das er vorschlägt, im besseren Licht erscheinen lässt. Das sollte vermeiden werden. Deshalb hat der Gesetzgeber auch gesagt:Man darf nicht in jedem Fall als Vergleichsszenario eine Liquidation heranziehen, denn es ist ja relativ leicht ein Planszenario zu entwerfen, das besser ist als eine Liquidation. Und ins Gesetz ist dieser Gedanke eingeflossen dadurch, dass der Gesetzgeber vorgegeben hat: Wenn das Planszenario eine Fortführung des Unternehmens vorsieht, dann müsse auch das Vergleichsszenario eine Fortführung zugrunde legen. Wie gesagt zu den Wahrscheinlichkeiten hat sich der Gesetzgeber da nicht geäußert, sodass da nach wie vor aus meiner Sicht einiges an Spielraum besteht. Ich denke aber unter dem Strich – der Planersteller tut sich selber kein Gefallen, wenn er versucht sich im Vergleichsszenario arm zu rechnen oder das besonders schlecht darzustellen, denn das ist sicherlich etwas, was die Planbetroffenen Gläubiger nicht unbedingt zur Zustimmung animieren wird, wenn sie den Eindruck haben, da wird das Vergleichsszenario absichtlich schlecht gerechnet.

Braun: Ja das klingt nachvollziehbar bzw. auch natürlich durchaus herausfordernd. Also gerade, wenn ich jetzt diesen Aspekt der Wahrscheinlichkeit, der ja nicht geregelt ist, nochmal herausgreife, da gibt es ja mit Sicherheit dann auch unter den Planbeteiligten unterschiedliche Ansichten darüber wie wahrscheinlich ein solches Szenario ist. Kann es dann auch sein, dass dann in dem Plan vielleicht auch mehrere Alternativszenarien dargestellt werden sollten oder gibt es da auch irgendwie im Gesetz, dass da drin steht es müssen X sein? Also wie viele sollten es denn sein?

Dr. Fehl-Weileder: Also zwingend vorgeschrieben ist laut Gesetz nur eins. Also wenn man sich den Wortlaut anschaut liest es sich so als würde nur ein Szenario zum Vergleich herangezogen werden müssen, also auf den Teil der Frage kann ich ganz klar sagen: Es gibt keine Pflicht, mehrere Vergleichsszenarien heranzuziehen. Das heißt aber nicht, dass ich das im konkreten Einzelfall nicht anbieten kann. Also ich habe schon von Fällen aus der Praxis gehört in denen im Vorfeld schon Restrukturierungsberater tätig waren und die ohnehin um die Alternativen für das Unternehmen vergleichen zu können, mehrere Szenarien durchgespielt und durchgerechnet worden sind. Und wenn ich sowas schon habe als Unternehmen, das dann zu dem Schluss kommt, ich möchte mich am besten über ein StaRUG-Restrukturierungsverfahren sanieren, dann denke ich spricht auch vieles dafür, auch mehrere dieser durchgerechneten und für eben nicht Plan A befunden Alternativszenarien in der Vergleichsrechnung heranzuziehen. Das würde ich also im Einzelfall als sinnvoll erachten, zwingend vorgeschrieben oder notwendig ist es aber nicht.

Braun: Kommen wir vielleicht sogar noch zu einem Punkt der auch ja nicht nur vorgeschrieben ist, zumindest nach meinem Kenntnisstand, aber der durchaus auch eben gerade bei der Vergleichsrechnung eine Rolle spielt: Der Marktest durch ein Dual Track-Verfahren. Inwieweit ist denn das vielleicht in einem StaRUG-Verfahren nochmal besonders wichtig, sich darüber auch Gedanken zu machen, wie ich denn eben das Vergleichsszenario und die Vergleichsrechnung dementsprechend aufstelle?

Dr. Fehl-Weileder: Ja in der Tat das ist auch in der Praxis schon viel diskutiert worden, ob ähnlich wie im Insolvenzplanverfahren sich in der StaRUG-Praxis auch herauskristallisieren würde, dass die Beteiligten ein Dual Track-Markttest verlangen, der dann ja zu einem Plan- oder Vergleichsszenario führen würde, bei dem man den Unternehmensverkauf im Sinne eines Asset-Deals tatsächlich zu einem validen Marktwert sozusagen durchspielt.

Im StaRUG-Verfahren sind dafür natürlich zwei Besonderheiten zu berücksichtigen. Zum einen soll ja das StaRUG-Verfahren dem Unternehmen ermöglichen sich ein bisschen, ich will jetzt nicht sagen unter dem Radar, aber doch mit weniger Öffentlichkeit und ohne den Insolvenzmakel zu sanieren. Und wenn ich jetzt tatsächlich ein Dual Track-Verfahren anstoße, dann bedeutet das ja auch, das Unternehmen wird sozusagen öffentlich am Markt zum Verkauf angeboten, sodass die Visibilität der Krise natürlich dadurch gegeben ist und möglicherweise auch darüber Konkurrenten die Möglichkeit eröffnet wird, sich im Rahmen einer Due Diligence Informationen über das schuldnerische Unternehmen zu beschaffen, die sie dann vielleicht zu dessen Nachteil nutzen können. Also das hat schon den ein oder anderen Pferdefuß und deshalb denke ich, dass es im StaRUG-Verfahren eigentlich noch weniger Sinn macht, tatsächlich auf so einem Dual Track-Verfahren als Markttest zu bestehen.

Das kann im Einzelfall sicherlich ein gangbarer Weg sein, wenn man eben sagt „Die Öffentlichkeit scheuen wir sowieso nicht wir sind da ohnehin sehr offensiv mit unserer Krisensituation umgegangen, oder wir haben vielleicht sogar schon einen Interessenten und holen von dem ein Angebot ein“. In solchen Fällen kann das durchaus Sinn machen, diesen Weg zu gehen, aber als sozusagen ungeschriebene Pflicht, auf die sich alle Beteiligten einigen, mit denen man üblicherweise im StaRUG-Verfahren zu tun hat, würde ich es für nicht sinnvoll halten. Ich denke eigentlich, um den Verkaufswert des Unternehmens herauszufinden, gibt es auch andere Möglichkeiten, zum Beispiel in dem man da einen entsprechenden fachkundigen Sachverständigen zu Rate zieht, der dann den Verkaufswert des Unternehmens ermitteln kann.

Braun: Das ist ein interessanter Punkt, weil es ja auch nochmal zeigt, welche Herausforderung bzw. offene Fragen es im Zusammenhang mit dem Restrukturierungsplan und gerade auch der Vergleichsrechnung gibt. Also ich denke nur dann daran, was wir zu Anfang oder bzw. dann zu ja relativ am Anfang gesagt haben, zu der Wahrscheinlichkeit und wie ich dieses Szenario dann schlichtweg auch definiere und dann eben auch nochmal wie ich überhaupt zu den entsprechenden Werten komme. Also das bleibt mit Sicherheit spannend, diese Entwicklung dann weiter zu Beobachten und ich denke, dass wir uns da mit Sicherheit auch nochmal wieder hören werden, wenn sich da schonmal herauskristallisiert hat, wohin die Reise bei der Vergleichsrechnung gehen kann. Wie gesagt, vielen Dank Frau Fehl-Weileder, für dieses interessante und aufschlussreiche Gespräch, und ich hoffe, dass wir das bei Gelegenheit auf jeden Fall fortsetzen können.

Dr. Fehl-Weileder: Da würde ich mich sehr freuen. Auch herzlichen Dank an Sie, Herr Braun.


Listen Restructure Restructum

In diesem Podcast beschäftigen wir uns mit Change Management und dem neuen Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz StaRUG. Es geht um die Anwendung, Erfahrungen und Lehren, die man daraus ziehen kann, und um Führung in der Krise. Denn in jeder Krise liegt auch eine große Chance, mit neuem Schwung in die Zukunft zu starten.